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„Praxistalk“ – Ein Ausblick in die Deutsch-Holstein-Zucht

Am 11.12.2024 sprach unser Milchviehspezialberater Nico Klamt mit Prof. Dr. Heiko Scholz vom Fachbereich Landwirtschaft, Ökotrophologie und Landschaftsentwicklung der Hochschule Anhalt über die Zukunft der Deutsch-Holstein-Zucht. Im Fokus standen Themen wie die Verschiebung züchterischer Prioritäten hin zu Gesundheit und Nutzungsdauer, der Einsatz von genomischer Selektion und töchtergeprüften Bullen sowie innovative Ansätze wie Beef on Dairy und der Einsatz von Spermamix. 

Herr Prof. Dr. Scholz, die Zucht von Deutsch-Holstein-Kühen hat in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten vor allem Steigerungen bei der Milchleistung erfahren. Welche züchterischen Merkmale werden aus Ihrer Sicht zukünftig im Fokus stehen?

Die Änderung der Gewichtung im Gesamtzuchtwert der Deutschen Holstein zeigt die Entwicklung in Richtung Gesundheit und Nutzungsdauer bei Erhaltung einer positiven Milchmenge sehr deutlich. Durch die genomische Selektion (mit den vielen positiven Effekten) und das inflationäre Aufkommen immer neuer Bullen gab es nur noch wenige „Sterne am Holstein-Himmel“, deren Namen man als Züchter auch ehrfurchtsvoll aussprechen konnte. Für die Zukunft liegen die Schwerpunkte jedoch eher auf den funktionalen Merkmalen, die aber eben nicht immer direkt messbar und daher durch Hilfsmerkmale zu bearbeiten sind. Es wird also zukünftig etwas schwerer mit klaren Aussagen und exakt ermittelten Werten.

Genomische Zuchtwerte oder töchtergeprüfte Bullen?

Die genomisch geprüften Bullen sichern einen nicht unerheblichen Anteil am Zuchtfortschritt der Population, wobei jedoch die Treue der Zuchtwerte mit Nachkommen dann nicht immer den Erwartungen entspricht. Mit den Folgen der Überschätzung der Zuchtwerte muss aber der Milchviehhalter zurechtkommen und auch das genetische Material weiter nutzen. Für eine kluge Mischung aus Genomik und töchtergeprüften Bullen im typischen Produktionsbetrieb wäre meine Wahl: 60% Genomik und 40% töchtergeprüft.

RZG oder RZ€?

Ich nutze eher den RZG für die züchterischen Entscheidungen, die aber nicht allein auf einem Gesamtzuchtwert beruhen würden. Anpaarungen sind tierindividuelle Entscheidungen. Es geht um die Verbesserung der Nachkommen, also die Kombination aus Exterieur, funktionalen Merkmalen und den Zuchtwerten für Milchleistung und Milchinhaltsstoffe. So vielfältig wie die Zucht sind auch die betrieblichen Entscheidungen und daher sollte jeder Milchviehhalter nach seinem eigenen Ermessen entscheiden können.

Für welche Betriebe ist die „Beef on Dairy“-Strategie sinnvoll?

Ich würde die Milchkühe, die ich für die Reproduktion meines Bestands nutzen möchte (nach einem betrieblichen Index suche ich die besten 40% aus), auswählen und dann gezielt mit DH-Sperma versehen. Damit habe ich bei einer ausreichenden Nutzungsdauer „gestandene Kühe“ ab der 3. Laktation und wüsste um deren Leistungspotenzial. Den anderen Teil der Herde würde ich mit Beef on Dairy anpaaren. Das wäre meine Empfehlung für die meisten Milchviehhalter, die nicht am Zuchtgeschehen als „Player“ teilhaben wollen. 

Zuchtbetriebe nutzen dagegen die komplette Herde für die Reinzucht und selektieren dann im Jungrinderbestand nach den genomischen Daten ihre zukünftigen Kühe für die Reproduktion. Auch ein gangbarer Weg, wenn man die „Kraft der Zahlen“ (und damit der Merkmale und Zuchtwerte) nutzen will.

Der in der Schweiz schon lange genutzte „Spermamix“ ist seit einigen Monaten auch in Deutschland zugelassen – Durchbruch für die Fruchtbarkeit oder Rinder-Roulette?

Na ja, eine gezielte Anpaarung mit einem Spermamix ist wirklich wie Roulette, aber zur Verbesserung der Fruchtbarkeit und damit vielleicht für die Verlängerung der Nutzungsdauer der Kühe ein gangbarer Weg. Ich finde das Angebot sehr gut und jeder Milchviehhalter kann selbst entscheiden. Es bleibt spannend und die Zukunft wird es uns zeigen! 

Wir bedanken uns …

… für das spannende Gespräch über zukunftsweisende Zuchtstrategien. Weitere Informationen zu unserem Interviewpartner finden Sie hier.

16.12.2024
Inland